Was vom REICHSPARTEITAGSGELÄNDE in NÜRNBERG übrig blieb: eine Besichtigungstour

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Entdeckungen in Nürnberg rund um das Zeppelinfeld, die Kongresshalle und andere Orte der NS-Zeit: unsere Tipps.


Jede Stadt hat ihre Schattenseiten – doch Nürnberg hat gleich richtig große: Vom Reichsparteitagsgelände ist die Rede, einem gigantischen Überbleibsel aus der NS-Zeit bzw. einem Städtebauprojekt des Größenwahns – allerdings einem, das man sich beim Städtetrip nach Nürnberg auf jeden Fall ansehen sollte.

Wir waren überrascht, erwartete uns doch eine ungewohnte Szenerie: auf der einen Seite die längst verfallenen Betonungetüme von Kongresshalle und Zeppelintribüne, auf der anderen Seite ein wunderschönes Naherholungsgebiet rund um einen Teich, in dem Segelboote und Tretboote in Form von Enten, Schwänen und Flamingos ihre Runden drehen. Außerdem ist das Gelände Austragungsort des jährlichen Volksfests, aber auch der Freiluft-Konzertlegende „Rock am Park“.

Rummel und Naherholung für die Nürnberger – aber eben auch ein schrecklicher Teil der Weltgeschichte, bzw. was davon übriggeblieben ist.

Was wir bei unserer Besichtigung des Reichsparteitagsgeländes am Gelände alles entdeckt haben, gibt es hier nachzulesen.

Ausgeflogen zum Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: was man heute davon besichtigen kann
1. Betreten verboten: die Zeppelintribüne mit Blick aufs Zeppelinfeld
2. Rundgang bis zum Volksfestplatz: viel Grün, wo einst Rekorde gebrochen werden sollten
3. Lost Place, wo heute die Symphoniker aufspielen: im Innenhof der Kongresshalle
4. Naherholungseldorado Dutzendteich: ein Stopp im Biergarten muss sein
5. Andere Erinnerungen an die NS-Zeit: der Nürnberger Justizpalast

Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg: heute ein Mahnmal der Gigantomanie, einst ein Ort düsterer Pläne

Man kann sich schwer vorstellen, wie sich das Reichsparteitagsgelände heute zeigen würde, wären alle Pläne aufgegangen: Denn selbst jetzt ist das Areal riesig. Nur eines der geplanten Projekte im Südosten der Stadt wurde fertiggestellt – die Zeppelintribüne über dem Zeppelinfeld.

Reichsparteitagsgelände Nürnberg heute

Statt auf 4 km² würde sich das Areal heute auf ganzen 11 km² ausdehnen, wären die Pläne von Albert Speer komplett umgesetzt worden. Schon damals war klar, dass es sich dabei nur um ein Projekt des Größenwahns handeln konnte.

Geplant war unter anderem das größte Stadion der Welt, das den Circus Maximus im alten Rom übertroffen hätte. Bis heute rangiert dieser als größtes zu Unterhaltungszwecken errichtete Bauwerk mit Platz für 300.000 Zusehern ganz oben. Heute fassen die größten Stadien der Welt gerade einmal knapp über 100.000 Personen.

Das Deutsche Stadion hätte Platz für 400.000 Zuseher geboten. Davon ist nur mehr der „Schatz im Silbersee“ übriggeblieben. Was es damit auf sich hat, gibt es unter Punkt 2 nachzulesen.

Auch die Kongresshalle, die immerhin aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum Kolosseum ein schönes Bild abgibt, hätte Rekorde gebrochen: Wäre sie fertiggestellt worden, hätte sie das damals größte freitragende Dach der Welt enthalten.

Kongresshalle

Die Pläne mussten begraben werden, als der Zweite Weltkrieg begann. Immerhin hatten die Nationalsozialisten davor ihre Reichsparteitage am Gelände abgehalten: Jeweils acht Tage lang marschierte die Wehrmacht im September der Jahre 1933 bis 1938 am Zeppelinfeld auf. Die Stadt war durch ihre Lage prädestiniert für solche Versammlungen, und natürlich bot sie mit ihrer Geschichte als freie Reichsstadt im Mittelalter eine gewisse Symbolik.


Das Nürnberger Reichsparteitagsgelände heute

Unser erster Eindruck, als wir uns mit dem Bus von der Altstadt kommend dem Kongresszentrum nähern: Die Szenerie erinnert leicht an ein Abbruchgelände.

Von Osten her ähnelt die Kongresshalle allerdings durch ihre erhabene Form tatsächlich dem Kolosseum und lässt sich auch vom Biergarten am Dutzendteich schön einfangen.

Erste Station auf unserem Rundgang über das Reichsparteitagsgelände ist die Zeppelintribüne. Diese konnte als einziges der geplanten Bauvorhaben fertiggestellt werden.

Unser Rundgang führt danach am Zeppelinfeld vorbei. Gänseblümchen blühen auf den weitläufigen Wiesen, Kinder springen auf Trampolinen. Wenn im Hintergrund nicht die Kongresshalle das Bild einrahmen würde, würde alles sehr idyllisch wirken.

Biergarten Dutzendteich

Im Prinzip ist es das auch, denn schlussendlich gelangt man zwischen Großem und Kleinem Dutzendteich über die Große Straße zum Volksfestplatz, auf dem einmal jährlich das Nürnberger Volksfest abgehalten wird. Das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg wird heute tatsächlich für „Stimmung und Gaudi“ nachgenutzt, was für den Touristen zuerst ein ungewöhnlicher Gedanke sein mag. Auch das jährliche Großereignis, das Freiluftfestival „Rock am Park“ findet heute auf dem Zeppelinfeld statt.

Stadion 1. FC Nürnberg

Nur das Max-Morlock-Stadion, die Heimstätte des 1. FC Nürnberg, hat schon vor den megalomanischen Ideen der Nationalsozialisten existiert.


Besichtigungstipp für das Reichsparteitagsgelände im Südosten Nürnbergs

  • Das Reichsparteitagsgelände liegt etwas außerhalb der Nürnberger Altstadt und kann leicht mit Buslinie 36 erreicht werden.
  • Wir haben unsere Runde am Zeppelinfeld gestartet und sind von dort einmal um das Gelände spaziert. Dabei haben wir uns an den Schautafeln am Wegesrand orientiert. Den Abschluss machte ein Blick in den Innenhof der Kongresshalle.
  • Unser Rundgang dauerte etwa 1,5 Stunden, danach genossen wir die Freizeitstimmung im Biergarten am Dutzendteich.
  • In der nicht mehr fertiggestellten Kongresshalle ist heute das Dokumentationszentrum zum Reichsparteitagsgelände untergebracht. Dafür muss man Eintritt zahlen, der Rundgang über das Gelände selbst ist allerdings kostenlos.

Tipp: Wer nicht auf eigene Faust losstarten möchte, sondern die Geschichte des Reichsparteitagsgeländes von einem sachkundigen Guide erklärt bekommen möchte, kann auch eine Führung über das Gelände buchen* (Ticket bis zu 24h vor der Tour stornierbar).


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1. Betreten verboten: die Zeppelintribüne mit Blick aufs Zeppelinfeld

Mit dem Zeppelinfeld beginnt unser Rundgang über das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Schon in den 1920er Jahren kamen die Stadtbewohner hierher, um das frische Grün des Naherholungsgebiets zu genießen, bevor das Gelände dann in den Jahren 1933 bis 1938 als Aufmarschfeld für die Paraden der Wehrmacht genutzt wurde. Diese hätten eigentlich auf dem Märzfeld stattfinden sollen, was aufgrund des Krieges nicht mehr realisiert wurde.

Das Zeppelinfeld (362 x 378 Meter) fasste 200.000 Menschen (davon 70.000 Zuschauer). Die 360 Meter lange Haupttribüne am Zeppelinfeld, von der aus der Führer selbst zum Volk sprach, hat sich bis ins Heute gerettet.

Reichsparteitagsgelände Nürnberg heute Zeppelintribüne

Zum Mittelbau hat man Zugang, beim Betreten der Stufen ist allerdings Vorsicht geboten, da es den brüchigen Kalkstein schon mehrmals gesprengt hat. Ein Großteil der Treppen ist vom Verfall gezeichnet und von Unkraut überwuchert – und gleich mehrere Schilder warnen vor unbefugtem Betreten und der dadurch drohenden Absturzgefahr.

Unterhalb der Rednerkanzel befindet sich in der Tribüne selbst der „Goldene Saal“, eine Halle mit goldverzierter Decke, die ebenfalls nicht mehr den ihr bestimmten Zweck erfüllen konnte.

Das Zeppelinfeld wird von den Zuschauerrängen eingerahmt. Die grasüberzogenen Sitzreihen dürfen auch heute nicht mehr betreten werden. Die Pfeilergalerie hinter den Zuschauerrängen wurden bereits in den 1960er Jahren gesprengt.

Reichsparteitagsgelände Nürnberg heute Zeppelintribüne

Übriggeblieben sind allerdings die 34 Feld- und Buttertürme dazwischen, auf denen einst Flakscheinwerfer für ein Spektakel der besonderen Art, den „Lichtdom“, sorgten. Heute sind in den Türmen u.a. Toiletten-Anlagen untergebracht, denn: Das Zeppelinfeld wurde nach der NS-Herrschaft weitergenutzt.

Nach dem Krieg wurde hier von den Amerikanern Baseball gespielt (heute ist ein Football-Verein auf dem Zeppelinfeld eingezogen). Bob Dylan spielte 1978 auf dem Zeppelinfeld auf, heute findet das alljährliche Freilichtkonzert „Rock im Park“ statt. Und bei unserem Besuch wurden gerade Trainingsfahrten einer Motorrad-Fahrschule abgehalten.

2. Rundgang bis zum Volksfestplatz: viel Grün, wo einst Rekorde gebrochen werden sollten

Das Reichsparteitagsgelände besteht natürlich nicht nur aus dem Zeppelinfeld. Man kann am Areal eine schöne Runde im Grün drehen und diese auch nach Belieben erweitern.

1. FC Nürnberg Stadion

Vom Zeppelinfeld geht es zuerst einmal am Stadion des 1. FC Nürnberg vorbei, um sich dann wieder in Richtung Kongresshalle zu bewegen – allerdings von der anderen Seite aus.

Die Szenerie wirkt recht idyllisch: eine von Gänseblümchen überzogene Wiese, hinter der einige Segelboote am Dutzendteich kreuzen.

Volkspark Dutzendteich

Dahinter integriert sich das weißlich-graue Oval der Kongresshalle malerisch in die Landschaft. Ja, der Volkspark Dutzendteich ist heute ein echtes Naherholungs-Juwel in Nürnberg.

Volkspark Dutzendteich

Die Große Straße – als Aufmarschstraße für die Paraden der Wehrmacht im Jahr 1930 realisiert – trennt hier den Großen vom Kleinen Dutzendteich. Würde man hier in Richtung Südost bzw. Südwest weiterspazieren, käme man zu jenen Plätzen, an denen die Nationalsozialisten das Deutsche Stadion bzw. Aufmarschgebiet des Märzfelds geplant hatten.

Hinter dem Kleinen Dutzendteich zeugt heute der Silbersee von den Vorstellungen der damaligen Zeit. Einst war hier die Baugrube für das neue Stadion ausgehoben worden. Nachdem durch den Baustopp während des Zweiten Weltkriegs kein Grundwasser mehr ausgepumpt wurde, lief die Grube voll – der Silbersee entstand. Beim vorhin erwähnten „Schatz“ des Silbersees handelt es sich leider nur um Sondermüll, der den See verseuchte. Aufgrund des hohen Vorkommens von Schwefelwasserstoff ist heute im Silbersee sogar Baden verboten.

Wir flanieren über die Große Straße nun zurück in Richtung Kongresshalle. Ganze zwei Kilometer lang sollte die an dieser Stelle 40 Meter breite zentrale Achse am Gelände werden, die in direkter Linie zur Kaiserburg zeigte und somit auf die Verbindung des Dritten Reichs zum historischen Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation anspielte.

Große Straße Reichsparteitagsgelände Nürnberg

Bis zum Krieg wurden 1,5 Kilometer realisiert. 60.000 Granitplatten wurden dafür verlegt, die mit ihrem Muster für ein akkurates Einhalten der Stechschritte sorgten.

Heute erreicht man nach kurzer Zeit einen weiteren „Aufmarschplatz“: und zwar für das jährlich stattfindende Nürnberger Volksfest direkt hinter der Kongresshalle.

3. Lost Place, wo heute die Symphoniker aufspielen: im Innenhof der Kongresshalle

Nach der Umrundung der Kongresshalle ist zu Ende unseres Rundgangs diese selbst das Ziel. Genauer gesagt der Innenhof des zweitgrößten Monumentalbaus der Nazi-Zeit nach dem Seebad Prora auf Rügen.

Kongresshalle Besichtigung Reichsparteitagsgelände Nürnberg

Ähnlich wie beim nie realisierten Deutschen Stadion handelt es sich auch hier um einen Bau der Superlative: Geplant war ein 70 Meter hohes Gebäude mit freitragendem Dach, das doppelt so groß wie das römische Kolosseum hätte werden und ein Fassungsvermögen von 50.000 Personen haben sollte. Schlussendlich wurden nur drei der vier Geschoße errichtet, was eine Höhe von 39 Metern statt der geplanten 70 bedeutete. Die Innenhalle ist bis heute ohne Dach geblieben.

Kongresshalle Besichtigung Reichsparteitagsgelände Nürnberg

Die an das Kolosseum erinnernde Form der Kongresshalle wurde tatsächlich nach dem Vorbild des Marcellustheaters in Rom errichtet – seinerseits Vorlage für das Kolosseum.

Zum Großen Dutzendteich hin wurden der Kongresshalle zwei Kopfbauten angefügt, was die U-Form des Gebäudes erklärt. Eine geplante Vorhalle wurde nie gebaut.

Die Haupthalle, die mit 180 x 160 Metern einen Großteil der Kongresshalle (275 x 265 Meter) ausmacht, kann man heute betreten. Nachdem das Dach nie errichtet wurde, handelt es sich heute um einen offenen Innenhof, der komplett vom Grün überwuchert ist. Die Ritzen der roten Ziegelwände sind perfekte Zufluchtsorte für viele Tauben, die bei unserem Besuch über unsere Köpfe hinwegflattern. Definitiv eine Besichtigung der anderen Art!

Nürnberger Symphoniker

Im nördlichen Kopfbau der Kongresshalle ist heute das Dokumentationszentrum zum Reichsparteitagsgelände untergebracht, das bei unserem Besuch aufgrund von Umbauten geschlossen war. Der südliche Kopfbau wird heute von den Nürnberger Symphonikern eingenommen, die im Serenadenhof, dem dortigen Innenhof, sogar Open-Air-Konzerte abhalten.

Das Dokumentationszentrum des Reichsparteitagsgeländes ist bis ins Jahr 2026 geschlossen, bis dahin kann eine Interimsausstellung in der großen Ausstellungshalle besucht werden. Mehr Infos zu Öffnungszeiten und Eintritt des Dok-Zentrums am Reichsparteitagsgelände Nürnberg hier.

4. Naherholungseldorado Dutzendteich: ein Stopp im Biergarten muss sein

Ob vor oder nach der Besichtigung des Reichsparteitagsgeländes: Ein bisschen Zeit für den Biergarten am Großen Dutzendteich sollte man unbedingt einplanen. Es dürfte noch jedem Besucher dort gefallen haben, und auch die Nürnberger selbst nutzen das Gasthaus Gutmann gerne als Zwischenstopp bei einem Sonntagsausflug in den Volkspark Dutzendteich.

Schon einst hatte man sich im ehemaligen Café Wanner gerne aufgehalten, heute genießt man das feine Plätzchen entweder bei Kaffee und Kuchen im Inneren oder bei Würstel und Bier im eigenen Biergarten. Es ist einfach für jeden etwas dabei, nicht nur aufgrund der schönen Aussicht.

Beim Blick über den Dutzendteich wirkt die Kongresshalle mit ihrer harmonischen Fassade fast ansehnlich, vor allem wenn man den Tretboot-Steg mit den davor geparkten Enten, Schwänen und Flamingos direkt vor Augen hat. Aber natürlich geht es auch um das gute Bier im Gutmann – aus der hauseigenen Brauerei, und das mittlerweile in der sechsten Generation.

5. Andere Erinnerungen an die NS-Zeit: der Nürnberger Justizpalast

In Nürnberg regiert das Bier, und so lässt sich selbst die Besichtigung einer weiteren geschichtlich interessanten Stätte mit einem Schluck des flüssigen Goldes verbinden. In der Nähe der Schankwirtschaft des Schanzenbräus (mehr dazu siehe hier) findet man nämlich jenen Ort, an dem nicht lange nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs die Nürnberger Prozesse abgehalten wurden.

Der Schwurgerichtssaal 600 des Nürnberger Justizpalastes wird noch heute genutzt. Zwischen dem 20. November 1945 und dem 1. Oktober 1946 fanden hier die Kriegsverbrecherprozesse gegen 21 führende Nationalsozialisten statt, die als „Nürnberger Prozesse“ in die Geschichte eingingen und als Vorstufe für die Etablierung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gelten.

Mehr Infos zum Besuch des „Memoriums Nürnberger Prozesse“ im Justizpalast gibt es hier.

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