Auf den Spuren der DONAUSCHWABEN in der VOJVODINA
Eine Reise in eigener Sache – eine persönliche Spurensuche in der Vojvodina: entlang der Theiß im Banat und in der Batschka
Diesmal war es Familiengeschichte, die mich neue Ecken erforschen ließ. Grund meines Roadtrips in den Norden Serbiens war die Reise zur alten Mühle meines Großvaters, die er erbaut hatte, bevor er als Donauschwabe aus der Vojvodina vertrieben wurde.
Erkenntnis 1: Opa hatte da ordentlich was hingestellt in die grüne Wiese.
Erkenntnis 2: Die Gegend entlang der serbischen Theiß kann man sich durchwegs mal ansehen! Noch dazu wo es nicht wenige Habsburger-Spuren zu entdecken gibt.
Und schlussendlich wars am Palić See, wo ich mich mit meiner Familie einquartiert hatte, auch sehr fein.
2. Auf den Spuren von Maria Theresia: das Ansiedlungsgebiet der Donauschwaben
3. Auf den Spuren von Prinz Eugen: Geschichtsunterricht in Senta
4. Auf ungarischen Spuren: wo es sich in Subotica urlauben lässt
Meine Tipps für eine Reise in den Norden Serbiens: Anreise & Grenzübergang, unterwegs mit dem Auto
In der Vojvodina – oder im Banat?
Wieder einmal Begriffsverwirrung pur: Waren wir bei unserem Roadtrip rund um Subotica, Senta und Ada nun in der Vojvodina, im Banat oder in der Batschka unterwegs?
Die Lösung steckt wieder mal in der Geschichte.
Heutzutage lässt sich das Gebiet mit der Vojvodina eingrenzen – der nördlichsten Provinz Serbiens.
Die sich wiederum in drei historische Regionen aufteilt, nämlich u.a. in den Westbanat (im Osten) und in die Batschka (im Westen). Die Vojvodina war und ist – mit kurzer Unterbrechung in der Zeit von Milošević – autonom.
Und der Banat?
War als historische Region lange ungarisch und Teil des Habsburgerreichs, bevor er nach dem Ersten Weltkrieg im Vertrag von Trianon zwischen Serbien, Rumänien und Ungarn aufgeteilt wurde. Fährt man also über die Grenze ins rumänische Temeswar, ist man nach wie vor im alten Banat unterwegs.
Und die Batschka?
Erstreckt sich im Westen der Vojvodina bis nach Ungarn hinein. Als Trennlinie zum Banat fungiert die Theiß, an der wir uns die meiste Zeit entlang bewegt haben.
Ein Roadtrip in der Vojvodina – wie siehts dort aus?
Die Nähe zur ungarischen Grenze merkt man rund um Subotica. Hier regiert der Weinbau, die Felder sind bestellt, es wirkt gepflegt und ordentlich.
Der Straßenzustand auf unserem Vojvodina Roadtrip ist auch in Ordnung – und auf den langen Ausfallstraßen rund um Subotica siehts auch nicht anders aus als in Italien.
Nur manchmal fühlen wir uns in die Vergangenheit versetzt. Nämlich dann, wenn wir zwischen den kleinen Dörfern entlang der Theiß herumkurven. Da kanns auch vorkommen, dass wir einem Pferdegespann begegnen.
In Senta stolpern wir in lebhaftes Markttreiben hinein, die Cafés und Bars der Stadt würden sich sicherlich noch länger genießen lassen.
Das einzige kleine Ärgernis: Die langen Grenzwartezeiten (siehe Tipps). Aber so lernt auch das mitgereiste Kind, dass Reisen im vereinten Europa für manche keine Selbstverständlichkeit ist.
Verständigung und Beschilderung in Serbien
Mit Englisch sind wir gut durchgekommen. Einzig mit der alten Nachbarin im alten Heimatdorf meines Großvaters konnten wir uns so gar nicht verständigen – aber das wäre auch in Österreich nicht anders.
Die kleinen Dörfer sind auch eine Ausnahme bei der Beschilderung. Denn die Wegweiser und Schilder sind sonst durchgehend auch in lateinischer Schrift angeschrieben – kein Wunder, stellen doch die Ungarn im Norden Serbiens eine große Minderheit.
Mehr zum Entziffern der Schrift
Auch wenn die serbische Schrift etwas von den russischen Buchstaben abweicht: mein kleiner Kurs zum Erlernen der kyrillischen Buchstaben kann auch in Serbien weiterhelfen.
Mein kleiner feiner kyrillische Schrift Kurs.
1. Auf persönlichen Spuren: wo Opas Mühle noch immer steht
Die deutsche Familie meines Großvaters wurde im zweiten Weltkrieg von den jugoslawischen Partisanen vertrieben. Die Mühle, die er sich selbst in einem kleinen Dorf an der Theiß aufgebaut hatte, war Grund unserer Reise in die Vojvodina.
Vielvölkerregion Vojvodina
Die Türken, die die Region 200 Jahre lang in Beschlag genommen hatten, wurden 1697 in der Schlacht bei Senta (siehe Tipp 3) geschlagen. Das nun leergefegte Banat wurde den Habsburgern zugesprochen – einzig das Volk fehlte.
Unter Maria Theresia startete die Neusiedler-Aktion, die in drei Schwabenzügen (1723-1726, 1763-1773, 1782-1787) deutsche Siedler ins Land brachte. Die Donauschwaben kamen über die Donau bis nach Belgrad und schlugen sich bis zu 300 Kilometer ins damalige Sumpfgebiet durch.
Im 19. Jahrhundert waren im Banat bereits gleich viele Serben wie Deutsche angesiedelt, dazu kamen Rumänen und Ungarn.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Donauschwaben vertrieben und die deutschen Orte mit Serben besiedelt. Wie auch in Iđoš, wo Opas Mühle noch immer steht.
Was von den deutschen Siedlern geblieben ist
Von der halben Million Donauschwaben, die vor dem Zweiten Weltkrieg in der Vojvodina gelebt haben, sind nur mehr einige Tausend übriggeblieben (1981: 9.000; 1992: 4.000). Heute hat sich die deutsche Minderheit in einem Nationalrat der Deutschen in Novi Sad organisiert. Deutsche Kulturvereine gibt’s z.B. in Kikinda und Subotica.
Die Familienmühle in Iđoš
In Iđoš er-fahren wir auf der Suche nach der alten Mühle, was wir schon auf der Recherche auf Google Maps bemerkt haben: die planmäßige Anlage deutscher Musterdörfer. Noch heute zieht sich das rechtwinkelige Schachbrettmuster durch Orte wie Senta, Ada oder Kikinda.
Den obligatorischen Dorfbach finden wir hier auch. Und auch bei der Einfahrt nach Iđoš sticht uns als Erstes die Dorfkirche ins Auge.
Was heute serbisch ist, war zu Zeiten meines Großvaters bunt gemischt. Als Müller konnte sich mein Opa neben seiner Muttersprache Deutsch auch in Serbisch und Rumänisch mit Bauern und Kunden verständigen. Dazu mit meiner Großmutter auch auf Ungarisch – und im Krieg kamen noch ein paar Brocken Russisch dazu. Ein wahres Sprachentalent!
Unsere Familien-Mühle haben wir nach einigem Suchen auch gefunden. Trotz Verfallserscheinungen steht diese noch immer ganz gut da. Dürfte sie doch auch bis in jüngere Zeiten noch genutzt worden sein. Neben dem immer noch vorhandenen Mehlgeruch entdecken wir auch Bierflaschen, Aschenbecher – und ein Kalenderblatt aus 2007 mit dem Konterfei einer nackten Frau….
2. Auf den Spuren von Maria Theresia: das Ansiedlungsgebiet der Donauschwaben
Woran wir ebenso merken, dass der Banat einst dem Erdboden gleichgemacht wurde: die nach wie vor dünne Besiedelung.
Wir finden langgezogene Straßendörfer vor, durch die wir elendslange hindurchzuckeln müssen. Deutsch Wagram lässt grüßen!
Dazwischen: lange nichts. Wie im Westen der USA. Oder wie in der Neunkirchner Allee, dem längsten geraden Straßenstück Österreichs. Wo Maria Theresia ebenso ihre Hand im Spiel hatte (diesesmal mit der „Besiedelung“ durch zahllose Föhrenwälder).
Auf den 35 Kilometern zwischen Kikinda und Čoka kommen wir durch einen einzelnen Ort – eine halbe Stunde dauert die Fahrt. Aber selbst bis nach Mokrin fährt man von Kikinda elendslange 15 Kilometer.
Was liegt im Nichts dazwischen?
Die ehemalige jugoslawische Kornkammer
Im ehemaligen Sumpfgebiet haben die Donauschwaben wahre Arbeit geleistet und die Sümpfe in fruchtbares Land verwandelt. „Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot“ lautete der Spruch, der den Donauschwaben dann zumindest in der dritten Generation Wohlstand brachte.
Wir fahren durch Ebenen wie im Marchfeld: Mais, Gerste, Sonnenblumen, Obstplantagen und Puszta-Wiesen liegen zu unserer Rechten und Linken. Dazwischen ein paar vereinzelte Wassertürme oder Unterstände – und Mähdrescher und Traktoren. In Kikinda kommen noch Ölbohranlagen dazu.
An der pannonischen Tiefebene, die von Donau, Save und Theiß gespeist wird, merken wir auch geographisch die Verbundenheit der Region zu Ungarn.
Und in Ada befinden wir uns unvermutet in Bayern. Die ehemalige Donaubrücke von Vilshofen führt seit 2010 dort über die Theiß, wo man davor nur über eine abenteuerliche Autofähre den Fluss passieren konnte.
3. Auf den Spuren von Prinz Eugen: Geschichtsunterricht in Senta
Apropos Fluss: Der für die Region so bedeutenden Theiß statten wir auch einen Besuch ab. Und zwar in Senta – dort, wo auch für uns Österreicher wichtige Geschichte geschrieben wurde. Denn „Vienna ad Zentam Servata“ – Wien wurde bei Senta gerettet.
Den Triumphbogen, bei dem diese Inschrift zu lesen ist, haben wir zwar nicht gefunden. Dafür aber den modernen Triumphbogen in Form der Getreidemühle Sentella am Ortsende. Von dort fahren wir ins „Zentar von Senta“ ein.
Am Glavni Trg – oder Fö Tér – erwartet uns beim Rathaus Jugendstilarchitektur der Monarchie. Neben dem Hauptplatz dann reges Treiben beim üppigen Obst- und Gemüsemarkt.
Nach fünf Minuten Fußmarsch sind wir an der Theiß, die hier die Grenze zum Banat bildet. Die „Tisa“ ist der längste Donau-Zufluss und bahnt sich ihren Weg von der Ukraine über Ungarn bis zur Donau in Serbien. Ein Angler- und Jagdparadies.
Wir marschieren ein Stück an der Theiß entlang und kommen zum Denkmal, das dem für uns so bedeutenden historischen „Nine Eleven“ gedenkt: der Schlacht vom 11. September 1697, in der das türkische Heer unter Mustafa II von Prinz Eugen geschlagen wurde – und durch die Wien und die Habsburgermonarchie gerettet wurden.
Über ein paar „Hintaus“-Gässchen mit blumengeschmückten Vorgärten sowie eine Villenallee gelangen wir wieder ins Zentrum zurück.
4. Auf ungarischen Spuren: wo es sich in Subotica urlauben lässt
Subotica – das Tor nach Westeuropa an der Grenze zu Ungarn – hätte ich noch gerne gesehen. Eine ungarische Hochburg, in der sich auch noch einige Habsburger-Spuren gefunden hätten. Hatte doch die unter Maria Theresia freie Stadt diesen Sonderstatus bis 1867 inne. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich stand „Maria Theresiopol“ dann unter ungarischem Einfluss. Was man am ungarischen Sezessionsstil heute noch in der Stadt bemerken soll.
Leider kränkelte meine Tochter – und aus dem Ausflug zu einem Stück Habsburg-Architektur wurde leider doch nichts. Gut, dass wir zumindest außerhalb von Subotica am herrlichen Badesee von Palić einquartiert waren! So wars dann auch fein. Herrlicher alter Kur-Charme kam hier zwar nicht – wie am Semmering – in den Bergen auf, dafür aber am Wasser.
Bereits die Türken hatten ihre Bäder im Banat errichtet. Der mineralhaltige Heilschlamm beförderte Palić dann im 19. Jahrhundert zum Kurort.
Die Blütezeit erlebte der Kurort rund um die Jahrhundertwende. An den wunderschönen Jugendstil Villen und Pavillons und alten Einrichtungen wie dem separaten Frauenstrand mit Badehaus darf man sich dafür heute noch erfreuen.
Ein so nettes Ensemble, dass sogar der Eurovelo 13 Radweg hier vorbeiführt – die Radroute entlang des Eisernen Vorhangs, die ich schon einmal auf dem Stück zwischen Retz und Laa befahren hatte.
Gut zu wissen: meine Tipps für die Reise nach Serbien
- Anreise und Rückreise – Achtung Stau!
Wer wie wir am Wochenende unterwegs ist, muss sich bei der Anreise leider auf Stau einstellen. Bereits rund um Budapest gings los, und sowohl bei Einreise und Ausreise nach Serbien standen wir in der Schlange. Sofern man also die Wochenend- und Tagespendler aus Ungarn und Serbien vermeiden kann, sollte man dies tun! - Grenzübergänge
Für die Fahrt in Richtung Subotica hat man drei Möglichkeiten:
– Der Autobahngrenzübergang bei Röszke-Horgos: Wir mussten trotz vierspuriger Autobahn eineinhalb Stunden auf die Einreise warten (Freitag Abend ist ein ganz schlechter Termin dafür…).
– Über die Ausweichroute an der B5 hatten wir leider auch kein Glück: bei der Anreise waren wir zu spät unterwegs (der Grenzübergang ist nur von 7.00 bis 19.00 Uhr geöffnet); bei der Ausreise standen wir auch hier wieder ewig im Stau.
– Der Grenzübergang Tompa-Kelebija (nordwestlich von Subotica) soll wesentlich weniger frequentiert sein. - Unterwegs mit dem Auto in Serbien
Der Sprit in Serbien ist teuer, daher am Besten noch davor tanken. Auf den Autobahnen wird eine streckenabhängige Maut verlangt (gilt noch nicht bis zur ersten Ausfahrt nach Horgos). - Geschwindigkeitsbeschränkungen
Die 80km/h außerhalb der Ortschaften sind sicher ein Relikt aus früheren Zeiten. Wir haben durchwegs normale Straßenverhältnisse vorgefunden, wo auch locker ein „Hunderter“ gegangen wäre. - Achtung melden!
Wer sich nicht in einem Hotel, sondern in einem Apartment einquartiert, darf die polizeiliche Anmeldepflicht (innerhalb von 24 Stunden) nicht vergessen! - Verständigen & serbische Schrift lesen
Siehe oben.
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